Johanna Pfeiffer berichtet aus Québec

Johanna Pfeiffer berichtet aus Québec

Vor drei Monaten bin ich mit der Erwartung, nur mein Französisch zu verbessern und neue Leute kennenzulernen, in den Osten Kanadas, nach Québec, geflogen. In die kältesten Monate des Jahres. Dort habe ich am Unterricht teilgenommen, wie jeder andere Jugendliche in meinem Alter dort, und war im Schulbasketballteam gemeinsam mit meiner Austauschschülerin Natalia Valero. Zusätzlich bin ich in einem Team, das ein sehr hohes Niveau besitzt, geschwommen.
Am zwölften Januar diesen Jahres startete für mich dieses Experiment mit neunzehn weiteren Schülern des Landes NRW und meinem ersten Langstreckenflug über den großen Teich. Das Ziel lautete Kanada, mit dem in Europa meist nur die Inuit, Elche und Eis in Verbindung gebracht werden. Nur letzteres erwartete mich dort, als ich bei eisiger Kälte in Montréal den Flughafen verließ, um in einen Reisebus nach Québec zu steigen. Der Atem hing mir weiß vor dem Gesicht, selbst bei Heizung, während wir mit französischer Schlager-Musik über den Highway fuhren. Der Schnee nahm mit jedem gefahrenen Kilometer zu und als wir ankamen türmte dieser sich dermaßen um uns herum auf, dass es uns teils unmöglich war, die Häuser zu erkennen. Dies war auch der Moment, in dem die Nervosität mich überkam. Schließlich sollte ich für drei Monate in einer Familie, auf die ich nun angewiesen war, leben, die ich bisher nur von Nachrichten und Fotos kannte und mit der ich ausschließlich auf Französisch kommunizieren konnte, da sie keine wirklichen Englischkenntnisse besaß und ich ihre Muttersprache Spanisch genauso wenig beherrschte. Doch meine Nervosität erwies sich schnell als überflüssig, da meine Gastfamilie mich unglaublich nett empfing, ich sofort integriert wurde und sich auch die Verständigung auf Französisch, trotz des starken Akzentes, als einfacher als vorher gedacht herausstellte.
Meine dortige Schule war die Camaradière, ein öffentliches Collège beziehungsweise eine High School von der Größe des Graf-Adolf-Gymnasiums, die bisher wenige Erfahrungen mit internationalen Schüleraustauschen gemacht hat und aufgrund dessen in meiner ersten Woche nicht immer organisiert war, was sich jedoch schnell zum Positiven veränderte, weswegen ich mich gut zurecht gefunden habe und viele neue Freunde finden konnte. Vor allem auch wegen des dortigen Basketballteams, das mich herzlich aufnahm und mir diesen Sport näher brachte, von dem ich zuvor keine Ahnung hatte. Die Mitschülerinnen und Mitschüler nahmen mich auf ihre Geburtstage mit, stellten mich anderen Leuten und Freunden vor, zeigten mir die Schule und die gesamte Stadt und übten mich in kolumbianischen Volkstänzen. Jeden Morgen fuhren wir mit einem klassischen gelben Schulbus über Glatteis und teils während eines Schneesturms bei Temperaturen, die einen frösteln lassen. Nur selten fiel die Schule aufgrund des Wetters aus. Da ich den Unterricht der vorletzten beziehungsweise letzten Stufe besuchte, waren alle häufig wegen ihrer Klausuren gestresst. Ich hatte das Glück, dass ich diese zwar mitschreiben musste, um mein Französisch verbessern zu können, jedoch nicht bewertet wurde. Da das deutsche Schulsystem dem kanadischen in Naturwissenschaft und Sprachen deutlich voraus ist, hatte ich keine Probleme im Unterricht und konnte viele neue Redewendungen und Vokabeln der französischen Sprache lernen.

Die meisten Menschen und Freunde lernte ich über die Schule kennen, da ich mit ihnen am meisten Zeit verbrachte und sie nie aufhörten mir weitere Bekanntschaften vorzustellen. Zu meinem Glück. Denn mit ihnen, und ich denke, nur wegen ihnen und meiner wirklich liebenswerten Familie, konnte ich unglaublich viele Erfahrungen sammeln und die Dinge erleben, die ich sonst so nie erlebt hätte. Ein Eis bei minus dreißig Grad essen, bei dem man Angst habe musste, dass es einem aus der Hand schmolz, da man währenddessen an einer Feuerstelle stand, um nicht später seine blauen Füße wieder auftauen zu müssen. Mit gefroren Haaren durch ein Schneesturm waten, wobei man aufpassen musste, dass sie einem nicht aus Versehen abbrachen. Oder mitten in der Nacht mit raquettes à neige (speziellen Schneeschuhen, die einen aufgrund einer größeren Auflagefläche vor einem zu heftigen Einsinken im teils ein Meter hohen Schnee bewahren) durch einen Wald spazieren, mit dem Wissen, dass die Gruppe, mit der man unterwegs ist, vollkommen auf sich allein gestellt ist. Auch bin ich mit einer Freundin einen zugefrorenen Wasserfall hochgeklettert und habe mit meiner Familie ein Feuerwerk der Stadt bei knapp minus vierzig Grad ansehen dürfen.
Als ich mich dann Anfang April mit einer französischen Bibel und dem Versprechen, dass ich wiederkommen würde, verabschieden musste, war ich einerseits wirklich traurig, jedoch auch erfreut darüber, dass ich nun meine Freunde, Familie und einen herausfordernderen Unterricht wiedersehen würde.
Zusammenfassend kann ich jedem nur ans Herz legen, ein solches Projekt zu starten. Die Erfahrungen, die man dabei macht, sind unersetzbar und sicherlich prägend für das weitere Leben. Natürlich gibt es teils Missverständnisse und Ungereimtheiten, jedoch keine, die sich nicht lösen lassen. Zumindest habe ich diese Erfahrung gemacht. Für mich sind es die Menschen, die diese Zeit unvergesslich gemacht haben, die ich hoffentlich irgendwann wiedersehen werde und die mir mit ihren Vorstellungen und ihrer positiven Einstellung wirklich geholfen haben. Außerdem ist Kanada von der Landschaft und Kultur her ein beeindruckendes Land, das ich jedem als Reiseziel nur empfehlen kann.
Johanna Pfeiffer (EF) verbrachte im Schuljahr 2018/19 zehn Wochen als Austauschschülerin in Québec, Kanada.