Erwünscht am GAG – die Lengericher Brüder Sadinam

Erwünscht am GAG – die Lengericher Brüder Sadinam

Heimatgefühle entstehen bei Mojtaba und Masoud und Milat Sadinam, wenn sie heute ins Tecklenburger Land kommen, insbesondere aber nach Lengerich, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachten. Das Graf-Adolf-Gymnasium hatte sie eingeladen, um Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 über ihre Fluchterfahrungen aus dem Iran im Jahr 1996 und ihre gelungene Integration in Deutschland zu berichten. Wenn auch mit Hürden bei der Anerkennung ihrer Asylanträge, so erreichten doch alle drei einen schulischen Aufstieg von der Haupt- und Realschule hin zum Gymnasium. Am Hannah-Arendt-Gymnasium legten sie ihr Abitur ab und absolvierten später Hochschullaufbahnen.  Seit über zehn Jahren leben sie in Frankfurt/M. und führen ein erfolgreiches Software-Unternehmen.

Ihre Erinnerungen haben sie in ihrem Buch „Unerwünscht“ publiziert, das den Charakter ihrer Berichte aus der Perspektive der damals Heranwachsenden abbildet: „Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte“. Denn es ist eine deutsche Integrationsgeschichte, die sie durchlaufen haben, und Lengerich ist der Ort, an dem sich für sie alles verdichtet, was Kindern in ihrem Alltag wichtig ist. Gemeinsam mit ihrer Mutter, die sich im Iran politisch oppositionell engagiert hatte, mussten sie das Land verlassen. In Deutschland gelangten sie über ein Auffanglager bei Münster nach Lengerich, damals schon in eine eigene kleine Wohnung. Schulischen Aufstieg verdanken sie nicht zuletzt auch einigen Lehrern, zu denen sie zum Teil jetzt noch Kontakt halten. Menschen, die sich in unserer Region um die Schicksale Asylsuchender kümmern, wie den Fluchthilfeverein, die evangelische Kirche und juristische Fachleute, erwähnen sie ausdrücklich als Wegbereiter in ihr Leben in Deutschland. Sie heben hervor, dass sie es als Glück für ihre Familie wahrnehmen, in Lengerich Aufnahme und schließlich auch eine Heimat gefunden zu haben, in der ihre Mutter noch immer lebt. Lengerich, diese vielleicht vielfach unterschätzte westfälische Kleinstadt, so sagen Mojtaba und Masout Sadinam heute, hielt mit ihrem spezifischen Profil und ihrer sozialen Überschaubarkeit ideale schulische, institutionelle und menschlichen Grundpfeiler bereit, die für ihre Integration entscheidend waren. Insofern ist Lengerich für sie der Ort, an dem sie ein Heimatgefühl haben und bewahren werden und mit dem sie sich nicht von ihren deutschen Freunden unterscheiden mit ihrer Erinnerung an ereignisreiche und positiv prägende Jugendjahre.

Die Tecklenburger Schülerinnen und Schüler, die immer wieder Fragen stellen konnten, waren insbesondere an privaten und emotionalen Aspekten des Berichts der Brüder interessiert. Hierin liegt die Chance der Auseinandersetzung junger Zeitzeugen, die eine erfolgreiche Integration durchlaufen haben, jedoch auch die kritischen Aspekte und Problemlagen zum Thema Asyl benennen können. Schulleiterin Evelyn Futterknecht freute sich besonders über diesen Besuch, der im Rahmen des Programms Weltenwandler zu Gast am GAG seine Entfaltung findet. Besonders wichtig sei es ihr, dass der Themenkomplex „Migration, Flucht und Integration“ damit in Form lebendiger Begegnung und transkulturellen Austauschs erfahrbar werde, was in Zeiten oft einseitiger Fokussierung in den Medien besonders notwendig sei. Insofern kehrt der Buchtitel „Unerwünscht“ sich hier sinngemäß gänzlich um, denn die Jugendlichen erkannten, dass die Brüder Sadinam heute sehr erwünschte und sehr engagierte Diskussionspartner in der Asyl- und Flüchtlingsdebatte sein können. Ihr Buch gibt Einblicke in wünschenswerte – aber auch weniger wünschenswerte – Elemente einer Integration. Ein 17jähriger Tecklenburger Schüler bringt es auf eine interessante Formel: „Die  Migrationsgeschichte der Familie Sadinam begann vor über 20 Jahren. Wir können heute viel daraus lernen.“

(MH)