GAG-Geschichtsexkursion zur Gedenkstätte Esterwegen

GAG-Geschichtsexkursion zur Gedenkstätte Esterwegen

Eine Exkursion zur Gedenkstätte Esterwegen, in der die Geschichte von 15 emsländischen Konzentrations- und Strafgefangenenlagern der NS-Zeit dokumentiert ist, organisierte Geschichtslehrer Tobias Sechelmann vor den Osterferien für die Jahrgangsstufe 9 des Graf-Adolf-Gymnasiums. Finanziell unterstützt wurde die Fahrt als Pilotprojekt für eine Kooperation mit diesem außerschulischen Lernort von der Kreissparkasse Steinfurt mit einem Zuschuss von 500 Euro.
Auf der Fahrt wurden die Klassen durch ihre Geschichtslehrkräfte sowie Fachreferendar*innen und Praxissemesterstudierende begleitet. So erfuhren die Vierzehnjährigen, die sich im Unterricht aktuell mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen, über eine Region, deren landschaftlicher und wirtschaftlicher Aufschwung sich von 1933 bis 1945 unter anderem durch Zwangsarbeit entwickelte. Einerseits wurden weiträumige Moorgebiete durch Torfstechen für Besiedelung und Landwirtschaft trockengelegt, und zum anderen mussten Häftlinge im Kontext des Zweiten Weltkriegs dort auch Rüstungsgüter produzieren.
Sehr beeindruckt und interessiert verfolgten die Jugendlichen das museumspädagogische Programm. Auf ihr Vorwissen und ihre Fragen der aufbauend, vermittelte es ein sehr vielschichtiges Bild der Emslandlager und der allgemeinen Bedeutung von Zwangsarbeit im NS-Staat. Ein Rundgang auf dem Museumsgelände gab räumliche Orientierung und ermöglicht es noch heute, die Atmosphäre entlang der damaligen Lagerstraße sowie den Aufbau des Zentrallagers Esterwegen zu erspüren. Eingeteilt in einen erhöht gelegenen und begrünten Bereich für das Wachpersonal und den heute durch Baumgruppen symbolisierten Barackenbereich für die Häftlinge liefert das Gelände einen klaren Eindruck der Privilegien des Wachpersonals und der Entwürdigung der Häftlinge. Härteste Arbeitstage von 12 bis 14 Stunden, physische Strafen, Mangelernährung, schlechte Hygiene und Krankheiten wie insbesondere Tuberkulose prägten den Alltag der Häftlinge. Dies verdeutlicht am Lagereingang auch der Gedenkstein für den wohl bekanntesten im Emsland Inhaftierten, den deutschen Journalisten, Schriftsteller und Pazifisten Carl von Ossietzky, der zwischen 1933 und 1936 hier interniert war und 1936, zur Zeit der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn, an Tuberkulose erkrankt, unter polizeiliche Überwachung nach Berlin überstellt wurde, wo er 1938 in einem Krankenhaus verstarb.
Kaltes Wetter am einem Besuchstag, so zeigte die Exkursion, vermag die Situation der physisch und psychisch Gequälten in der „Hölle im Moor“ sehr eindrucksvoll zu unterstreichen. Und doch harrten die Schüler*innen rund eine Stunde lag auf dem Außengelände und an all seinen Stationen aus, die größtenteils nur fragmentarisch erhalten, dennoch sehr geschickt die archäologischen Spuren hervorheben. Auch stellten sie viele Fragen, die zeigten, dass sie sich, angeregt durch die kompetente museumspädagogische Begleitung, ganz eng mit dem Schicksal der Inhaftierten auseinandersetzen wollten. Im Anschluss, in der Dauerausstellung, ermöglichten ihnen kleine Forschungsaufgaben, einige Hintergründe und Machtstrukturen des Lagerkomplexes und biographische Schicksale zu erarbeiten. Hieran wird im weiteren Geschichtsunterricht angeknüpft werden.
Mit seiner Entstehungsgeschichte als — im NS-Jargon — „Schutzhaftlager“ für politisch Oppositionelle zur Umsetzung der Reichstagsbrandverordnung Ende Februar 1933, war Esterwegen im Prinzip ein Startmodul für die Inhaftierung, körperliche Misshandlung und Demütigung von über 100.000 Menschen (Männern), deren Arbeitskraft man für die Kultivierung der Moorlandschaft und im Rahmen industrieller Zwangsarbeit ausbeutete und von denen circa 20.000 ihre Lagerzeit nicht überlebten.
Diesen sehr komplexen und bestürzenden Vorgängen konnten die Jugendlichen während der Exkursion nachspüren. Die Fahrt war für alle eine intensive Begegnung mit dem Thema der NS-Straf- und Ausbeutungspraxis politischer Gegner. Melodie und Textfetzen des in Esterwegen von Häftlingen verfassten Liedes „Die Moorsoldaten“, das im Rahmen der Einführung vorgestellt wurde, klingen noch nach der Heimfahrt nach Tecklenburg im Bewusstsein nach.

(Hö)