Was können wir gemeinsam weltweit gegen Hunger und Leid zu Corona-Zeiten tun, Herr Minister Dr. Müller?

Was können wir gemeinsam weltweit gegen Hunger und Leid zu Corona-Zeiten tun, Herr Minister Dr. Müller?

Diese und andere wichtige Fragen stellten Schülerinnen und Schüler eines Kurses Sozialwissenschaften der Einführungsphase des Graf-Adolf-Gymnasiums gemeinsam mit ihrer Lehrerin Evelyn Futterknecht Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller.

Dabei interessierte sie alle ganz besonders, wie sich die Pandemie auf Versorgungsstrukturen in Ländern auswirke, die ohnehin unter Hunger und Armut litten. Mit dem Ziel, weitere Erkenntnisse zu gewinnen, um selbst einen kleinen Beitrag leisten zu können, das Leid zu mindern, hatten sie zuvor im Unterricht den Human Development Index (HDI), verschiedene Armutsbegriffe sowie internationale Lieferketten und Handelsströme in Augenschein genommen und dann die Möglichkeit ergriffen, Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller sich daraus ergebene Fragen zu stellen.

Gemeinsam mit Schüler*innen von zwei weiteren Schulen, dem Antoniuskolleg Neunkirchen-Seelscheid und dem Ostendorfer-Gymnasiums Neumarkt i. d. Oberpfalz, wurden unter der Koordination der Organisation Aktion gegen den Hunger 80 drängende Fragen an den Minister gestellt. Dieser freute sich sichtlich über das Interesse und das Engagement der Schüler*innen und beantwortete die Fragen sehr gerne, die nachfolgend exemplarisch zu lesen sind:

Wie hat sich die aktuelle Hungerslage durch Covid-19 verändert? Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die weltweite Versorgungslage aus?

Dr. Gerd Müller: Durch den Lockdown sind Versorgungsketten zusammengebrochen – mit dramatischen Folgen in den Entwicklungsländern: Experten schätzen, dass zwei Millionen Menschen an Tuberkulose, Aids und Malaria sterben, weil Medikamente zur Behandlung nicht mehr ankommen. Im Augenblick geht nur jedes zehnte Kind zur Schule – viele Kinder werden vermutlich nie wieder zur Schule zurückkehren. Dazu kommt Hunger, weil Lieferketten ausfallen, Bauern nicht die Ernten verkaufen können. Allein in diesem Jahr fallen dadurch 130 Millionen Menschen in Hunger und Armut zurück. Das ist mehr als die Bevölkerung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zusammen! Fast 300 Millionen Menschen haben bereits ihre Arbeit verloren. Ohne Kurzarbeitergeld, oder Sozialprogrammen stehen sie vor dem Nichts. An diesen Folgen der Pandemie sterben mehr Menschen als am Virus selbst. Die Covid-19-Pandemie ist so längst zu einer Polypandemie geworden – einer globalen Mehrfach-Krise, welche die Menschen in Entwicklungsländern am härtesten trifft.

Was kann die Regierung gegen die Hungersnot unternehmen? Welche Maßnahmen genau wollen Sie anwenden?

Dr. Gerd Müller: Deutschland hat als einziges europäisches Land ein weltweites Corona-Sofortprogramm mit drei Milliarden Euro umgesetzt. Damit sichern wir die Ernährung und die Medikamentenversorgung von Millionen Menschen, insbesondere in Flüchtlings- und Krisenregionen – zusammen mit dem Welternährungsprogramm, UNICEF und deutschen Hilfsorganisationen. Im Irak bauen wir beispielsweise Behelfskrankenhäuser für 14.000 Patienten und verdoppeln so die intensivmedizinischen Kapazitäten im Land. In Äthiopien stellen unsere Experten die Produktion auf Millionen neuer Schutzmasken um. So bleiben zehntausende Näherinnen in Arbeit. Das ist ein wichtiges Zeichen der globalen Solidarität. Aber die Versorgungssituation spitzt sich weiter zu. Ich würde mir wünschen, dass auch die Europäische Union jetzt entschlossen hilft und ein Stabilisierungs- und Wiederaufbauprogramm für Entwicklungsländer auflegt.

Was können wir als Klassengemeinschaft gegen die Hungersnot während Covid-19 tun? Wie kann man als Schüler*in den Menschen in Afrika konkret helfen?

Dr. Gerd Müller: Ich finde es toll, wenn Schülerinnen und Schüler selbst vorangehen. Für Schulklassen hat das Entwicklungsministerium ein „Aktionsgruppenprogramm“ ins Leben gerufen. Damit unterstützen wir die Umsetzung Eurer eigenen Projekte – zum Beispiel wenn Ihr Eure Schule auf Fair Trade-Produkte umstellt, oder eine Aktion zum Handy-Recycling startet. Ansonsten könnt ihr als Klasse auch eine Spendenaktion unterstützen, zum Beispiel von einer Hilfsorganisation wie Aktion gegen den Hunger. Die Arbeit der Hilfsorganisationen für die Ärmsten der Armen ist mitten in der Corona-Pandemie wertvoller denn je.

Sind Sie darüber informiert, ob die finanziellen und materiellen Hilfen, die seitens Ihres Ministeriums für die sogenannten „Entwicklungsländer“ aufgebracht wurden, für den Zweck eingesetzt worden sind, für den sie gedacht waren?

Dr. Gerd Müller: Ja, das ist mir ganz wichtig: Die Hilfen müssen auch bei den Menschen ankommen. Kein Euro darf in korrupten Kanälen landen. Um das sicherzustellen, lassen wir unsere Projekte von externen Prüfern kontrollieren. Und wir haben ein unabhängiges Institut gegründet, das die Wirksamkeit unserer Maßnahmen regelmäßig überprüft. So stellen wir sicher, dass wir mit unseren Projekten tatsächlich die Ergebnisse erreichen, die wir uns vorgenommen haben.

Wir sprechen auch ganz offen mit unseren Partnerländern über den Kampf gegen Korruption, gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte. Wenn Regierungen hier keinerlei Fortschritte machen, beenden wir – falls nötig – die Zusammenarbeit mit den Regierungen. Dann arbeiten wir direkt mit den Kirchen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen. Denn Menschen, die von Hunger und Not bedroht sind, unterstützen wir weiterhin in allen Entwicklungsländern. Das ist eine humanitäre Verpflichtung. Danke für Euer Engagement und Eure Neugierde!

Das lokale Engagement der Schüler*innen des GAG für globale Projekte war auch in diesem Schuljahr groß:

Nachdem sie an der Spendenaktion gegen den Hunger in diesem Schuljahr sehr erfolgreich teilgenommen hatten und eine vierstellige Summe auf vielfältige Weise für den weltweiten Kampf gegen Unterernährung aufbringen konnten, hat nun der Kurs Sozialwissenschaften im Rahmen der UNESCO-Projekttage den FAIRKAUF GAG-Shop gemeinsam mit Sozialwissenschaftslehrerin Evelyn Futterknecht, Herrn Wolfgang Finkmann und dem Hausmeister Alfons Middendorf tatkräftig realisiert.

Ein eigentlich schrottreifer Kirmeswagen wurde im Recyclingsinne gänzlich entkernt, renoviert und im Rahmen eines Workshops mit Hilfe der Profi-Graffiti-Künstler Lenny Braungart und Hannes Büscher, beide ehemalige Schüler des Graf-Adolf-Gymnasiums, im Sinne der UNESCO farbenfroh und sinnstiftend gestaltet. Evelyn Futterknecht freut sich als Projektlehrerin und Schulleiterin ganz besonders über diese Umsetzung einer gemeinsamen nachhaltigen Zukunftsvision an der UNESCO-Schule:

Ab dem nächsten Schuljahr können Schüler*innen in dem FAIRKAUF GAG-Shop fair gehandelte Produkte ver- und einkaufen: Verbrauchsmittel wie Gebrauchsgegenstände, fair gehandelte Schulkleidung, Upcycling-Produkte aus dem (Kunst-)Unterricht, eigene Ernte aus dem Schulgarten und vieles mehr.

Dieser Verkauf richtet sich dabei auch an Bürger*innen Tecklenburgs und Tourist*innen. Die Schulleiterin der UNESCO-Schule freut sich dabei ganz besonders darüber, dass Schüler*innen durch die Planung, die Organisation und den Verkauf selbstwirksam ihre Handlungskompetenz entfalten und damit sowohl im Sinne der UNESCO-Werte als auch im Rahmen der schulischen Mitgliedschaft in der Steuerungsgruppe der Fairtrade Town Tecklenburg ganz besonders wertvolle ökonomische, ökologische und vor allem gerechtigkeitsfokussierende Erfahrungen sammeln dürfen.

Die Hälfte des Kauferlöses wird zur Refinanzierung der Produktpalette aufgewendet. Die andere Hälfte wird regelmäßig an die Aktion gegen den Hunger und an die Hilfe für geflüchtete Menschen gespendet. Im Sinne des Leitsatzes „Think global, act local!“ können sich Schüler*innen ab dem kommenden Schuljahr auch fair gehandelte Bälle, Tischtennisschläger und Spiele aus aller Welt unentgeltlich beim FAIRKAUF GAG-Shop für die Pausengestaltung ausleihen.