Planspiel der SoWi-Kurse zur EU-Asyl- und Migrationspolitik

Planspiel der SoWi-Kurse zur EU-Asyl- und Migrationspolitik

Das Deutschland- und Europapolitische Bildungswerk Nordrhein-Westfalen (DEPB) organisiert für Schulen das Planspiel „SOS Europa! Asyl- und Flüchtlingspolitik in der EU“, das in der letzten Woche (Montag, 7. 11. 22) 23 Schüler*innen des Graf-Adolf-Gymnasiums aus Leistungs- und Grundkursen der Jahrgangsstufen 11 und 12 (Q1 und Q2) kennenlernten. Finanziert wird das sozial- und politikwissenschaftlich angelegte eintägige Seminar durch das Europateam der Landeszentrale für politische Bildung, die auch die Referent*innen stellt.
GAG-Oberstufenkoordinatorin und SoWi-Lehrerin Susanne Wilmer begleitete die Gruppe zum Seminarort, der nahe gelegenen Akademie Talaue. In ihrem SoWi-Leistungskurs hatte sie das Thema und die Besonderheiten dieses Planspiels vorbereitet, das die Asyl- und Migrationsthemenkomplexe der EU abbildet: „Aus anderen SoWi-Kursen habe ich für dieses so aktuell passende Planspiel kurzerhand Interessierte angeworben“, so berichtet Wilmer.
Nach gebündelten Vorinformationen seitens der Referent*innen Benedikt Müschenborn und Leonie Meus zur Arbeitsweise in Kommissionen des EU-Parlaments konnten die Jugendlichen in die Rollen derer schlüpfen, die in Straßburg Beschlüsse zur Asyl- und Migrationspolitik der EU vorbereiten und schließlich auch fassen.
Die sehr unterschiedlichen Interessenlagen der Länder, in diesem Fall 16 ausgewählter EU-Mitgliedstaaten, wurden den Rolleninhabern vermittelt, die diese dann in simulierten EU-Ratssitzungen und dort erarbeiteten Konzepten sowie in Abstimmungen ausloten. Hierbei lernen die Jugendlichen insbesondere die Situation kennen, sich mit den spezifischen Interessen des von ihnen repräsentierten Landes zu identifizieren und diese sowohl in öffentlichen Beratungen als auch in Sitzungspausen in Lobbyarbeit zu vertreten. Insbesondere die Situation, dass Beschlüsse über Anträge nur einstimmig gefasst werden können, bildet für Jugendliche eine Situation, die sie mit ihren Vorstellungen von demokratischen Entscheidungsprozessen erst in Übereinstimmung bringen müssen. „Schließlich ändert sich an der Interessenlage von Staaten wie Italien und Griechenland oder auch Ungarn und Polen nicht automatisch etwas, nur weil deren Staats- und Regierungschefs mit anderen EU-Perspektiven zusammentreffen. Und die Positionen keines Mitgliedsstaates kann ohne Weiteres durch Mehrheitsbeschlüsse ausgehebelt werden: Da braucht es doch schon den langen Atem parlamentarischer Überzeugungsarbeit oder inoffizieller Beratungen in Sitzungspausen“, so kommentiert die vom Lerneffekt des Seminars sehr überzeugte Susanne Wilmer.
Gelernt haben alle sehr viel über Begrifflichkeiten der Genfer Flüchtlingskonvention sowie über die inhaltlichenHintergründe, zum Beispiel zu den Fragen: Wer kann Asyl beantragen? Was ist der Unterschied zwischen Asylbewerber*innen und geflüchteten Menschen? Auch wurde ihnen vermittelt, dass es Regularien und Situationen für Abschiebestopps gibt, die für die Betroffenen zum Teil die Verweilberechtigung mitregeln. Wichtig war für die Jugendlichen in diesem Zusammenhang aber auch die traurige Tatsache, dass im Stichjahr 2017 über 3.100 Menschen im Mittelmeer starben und sich weltweit über 2,6 Millionen Menschen auf der Flucht befanden.
Bezeichnend waren daher auch für alle die Ergebnisse der Abstimmungen: Einstimmige Zustimmung erhielten etwa die Anträge, dass deutlich mehr humanitäre Hilfe in den Herkunftsländern geleistet werden müsse und dass FRONTEX-Einsätze verstärkt erfolgen sollten, um mehr Sicherheit und Hilfe zu gewährleisten. Der Antrag auf eine gerechtere Verteilung der Geflüchteten auf alle EU-Länder wurde dagegen von den Staaten Ungarn und Polen blockiert.
Das Planspiel sieht in seiner Rollenbeschreibung den Vorsitz zweier EU-Organe vor, dem/der EU-Kommissionspräsident*in und dem/der Präsident*in des Europäischen Rates. Sie leiten eine Sitzung von in diesem Fall 16 Staats- und Regierungschefs vorgegebener Länder. Ebenfalls wichtige Rollen haben Pressevertreter*innen, die am Rande der Gremienarbeit recherchieren und am Ende eine Pressekonferenz mit allen Teilnehmenden durchführen. Die als Talkshow konzipierte Pressebefragung an die EU-Vertreter*innen bündelte die Ergebnisse noch einmal und zeigte, dass das Planspiel alle zum intensiven Nachdenken über eine Thematik gebracht hat, die gerade jetzt in diesen Tagen wieder die öffentliche und politische Diskussion in Europa mitbestimmt, während sie auch in Zeiten geringerer medialer Aufmerksamkeit an Wichtigkeit und Dringlichkeit nicht verliert. „Es ist außerordentlich wichtig, dass junge Europäer*innen Urteils- und Handlungskompetenz auch durch Formate wie simulierte Planspiele stetig weiterentwickeln, um so wichtige Themenkomplexe wie die (europäische) Asyl- und Migrationspolitik differenziert zu durchdringen und nach Ansatzpunkten für Änderungsmöglichkeiten in der realen Welt zu suchen. Dies gelingt durch die simulierte handlungsorientierte Rollenübernahme im bestimmenden institutionellen Umfeld ganz besonders nachhaltig.“, hebt Schulleiterin Evelyn Futterknecht überzeugt hervor.
(Hö)