Shakespeare modern adaptiert

Shakespeare modern adaptiert

Ein traditionelles Sommerhighlight am GAG ist die Theateraufführung des Literaturkurses der Jahrgangsstufe 11 (Q1). In diesem Schuljahr fiel die Auswahl des Stoffes, mit dem sich das 20köpfige Ensemble auseinandersetzte, auf William Shakespeares Tragödie von Romeo und Julia, modern inszeniert als „R. & J.“ Betreut durch Kurslehrerin Kerstin Plikat-Schlingmann, war die Entscheidung früh für diesen Dramenstoff gefallen, der jene Phase im Leben junger Menschen fokussiert, in der über „wahre Liebe“ nachgedacht wird und was man dafür zu opfern bereit sei. Dies verdichtet sich bei Shakespeare in dem Problem, dass Elternhäuser und das persönliche Umfeld zweier Liebenden Widerstände entgegensetzen können, denen sie sich durch Flucht entziehen wollen. Und diese Flucht wird – klug mitgeplant durch hilfswillige Freunde – so spontan und scheinbar perfekt geplant, dass sie zum Spiel mit dem Scheintod wird.
Sehr gelungen und überzeugend gelingt die Verlegung der Handlung in einen modernen Kontext und zeigt ein sensibles Gespür für die Entscheidung, in der Inszenierung den unerbittlichen Familienzwist zwischen den Montagues und den Capulets auf einen Konflikt eines in Geldnöte geratenen Neureichen-Ehepaars und ‚prolligen‘ jugendlichen Konkurrenten um das Interesse der schönen Tochter zu verlegen. Schnell und fast unmerklich wurde das Premierenpublikum durch Julias Kernproblem erfasst, mit ihrem schönen und überwiegend verwöhnt-gelangweilten Freundeskreis herauszufinden, wie sich wahre Liebe feststellen lässt und ob sie selbst oder „diese große Liebe“ sich auf der Titanic füreinander opfern würde. Zu wichtig erscheint im Freundeskreis dann doch eher die Schramme am Lippenstiftdeckel oder der Teenie-Hype auf die Begegnung mit begehrten Promi-Typen, so unerreichbar sie auch sein mögen.
Die Atmosphäre neureicher Partyplanung wird eindrucksvoll durch ein aufmüpfiges Trüppchen aus der Capulet-Szene gestört, in deren Mitte Romea eine zentrale Rolle einnimmt: Mit ihrer eher pessimistischen und selbstkritischen Grundhaltung ist sie das perfekte Gegenstück zu Julia. Und nach kurzer Irritation merken beide schnell, dass Ihr Denken und Ihre Hoffnungen sich wundersam verbinden. Die klassische Balkonszene mit Romea und Julia, die in weiteren Szenen untermalt wird, erfährt eine hammerharte atmosphärische Kontrastierung durch Streitdialoge von Julias Eltern – auf eben dem gleichen Balkon – um die finanztechnisch notwendige Verheiratung der Sechzehnjährigen mit dem reichen Paris, der selber gar nicht zu Worte kommen braucht. Dass hier wenig Raum bleibt für eine Hoffnung Julias auf Wertschätzung ihrer Gefühle und ihres Lebens, erscheint als eindrucksvoller Hintergrund für ihren Fluchtplan, von dem sich Julia die Erlösung erhofft.
Elterninteressen liefern den Hintergrund für die Verzweiflung Julias und ihr Zweifeln an deren Liebe – ein Gedanke, der in Zeiten elterlichen Strebens nach freier Entfaltung ihrer Kinder und starker Opferbereitschaft für deren Wohl und Lebensglück fast zu unrealistisch erscheint. Dennoch leuchtet in dieser Inszenierung die groteske Überspitzung des geldgeil-oberfächlichen Elternpaars als Symbol für viele Zeiterscheinungen ein, mit denen sich junge Liebende heute auseinandersetzen – mit nicht immer gutem Ausgang; seien es soziale Gegebenheiten, ethnische Aspekte oder auch religiöse Unvereinbarkeiten. Besonders deutlich und erfreulich tritt hervor, dass alle Darsteller in ihrer Rolle sehr überzeugend agieren, reden und schweigen. Auch das Bühnenbild und die Kostüme, Ton- und Lichteffekte untermalen die Stimmungen überzeugend und lieferten die perfekte Illusion, Teil dieser Welt zu sein, in denen solche Hoffnungen, Gefühle, ‚Zustände‘ und Entwicklungen real werden können. Hierfür entwickelten die Zuschauer große Sympathie und eine Begeisterung, die dem Ensemble stehende Ovationen einbrachte. Es lohnt sich sehr, die zweite Aufführung am Dienstag, den 25. Juni ab 19.30 Uhr in der Aula des Graf-Adolf-Gymnasiums (noch einmal) zu besuchen, in der vier Rollen in zweiter Besetzung gespielt werden.
(Hö)