Ein halbes Jahr am GAG: Johanne aus Kopenhagen

Ein halbes Jahr am GAG: Johanne aus Kopenhagen

Am 7. Januar 2016 hatte ich meinen ersten Schultag am Graf-Adolf-Gymnasium. Ich war natürlich ganz gespannt, wie er verlaufen würde, wen ich treffen würde und ob ich daran denken würde, meine neuen Lehrer mit „Sie“ anzusprechen. Ich wollte halt einen guten ersten Eindruck machen.
Meine Deutschkenntnisse waren zwar noch nicht so gut wie ich sie haben wollte und meine Laune und Motivation hätten an dem Tag bestimmt besser sein können. Bloß zwei Tage davor hatte ich nämlich eine Menge guter Freunde in meiner ersten deutschen Schule verlassen müssen. Ich hatte keine gute Beziehung mit meiner Gastfamilie da und jetzt musste ich innerhalb von nur vier Monaten zum zweiten Mal von vorne anfangen.
Dennoch erfuhr ich, dass ich keine feste Klasse, sondern Kurse hatte. „Ach so, wie in den USA“, sagte mir meine beste Freundin aus Dänemark, als ich ihr davon erzählte. „Dann werden in jedem Kurs unterschiedliche Leute sein und dadurch hast du wohl deine ersten Freunde in vier, fünf Monaten, wenn du sowieso wieder nach Hause musst.“ Sie meinte damit nichts Böses, das weiß ich, das war aber trotzdem nicht, was ich hören wollte.
Am nächsten Tag kam ich ganz normal mit dem Schulbus zur Schule. Man hatte mir Bescheid gegeben, ich solle einfach in der Pausenhalle warten, es würde an dem Morgen ein gemeinsames Frühstück für die Gastschüler geben. Ich lernte an dem Morgen die anderen Gastschüler kennen, darunter die sechs Leute aus Namibia, die für drei Wochen im Januar die Schule besuchten. Deswegen war ich auch an meinem ersten Wochenende in Tecklenburg nicht in meinem neuen Zuhause, sondern in der Jugendherberge in Tecklenburg mit den anderen Gastschülern und deren Partnerschülern. Das war eine gute Gelegenheit, die dänische Flagge vorzuzeigen und Dänemark vorzustellen. Dazu kamen noch mehrere Aktivitäten. Es war ein sehr schönes Wochenende, wo ich viele neue Leute kennenlernte.
Als die Gastschüler aus Namibia Ende Januar wieder nach Hause flogen, dachte ich, ich würde jetzt mein kommendes Schulleben richtig kennenlernen, aber da irrte ich mich. Vergessen hatte ich, dass das zweiwöchige Praktikum jetzt anfangen würde. Als ich schon Anfang Januar von diesem Praktikum erfuhr, hatte ich nur gedacht: „Nein, ist nicht wahr!“ Auf meiner ersten Schule in Deutschland hatte ich nämlich schon im November und Dezember ein dreiwöchiges Praktikum in einer Jugendpflege gemacht. Es war sehr schön gewesen, aber hieß das jetzt, dass ich für fünf Wochen von meinem Schuljahr in Deutschland Praktika absolvieren würde? Ja, hieß es. Na, dann wollte ich sehr gerne in eine Redaktion, obwohl ich mir viele Sorgen über die Sprache machte.
Glücklicherweise kriegte ich tatsächlich einen Praktikumsplatz bei den „Westfälischen Nachrichten“ (WN) und ich war überglücklich! Das waren wirklich zwei gute Wochen. Und als ich nach dem Praktikum wieder zur Schule kam, hieß es nur noch „Johanne, weißt du, dass du in der Zeitung bist?“ Ich hatte nämlich für die WN einen Bericht über meinen Austausch geschrieben. Und meine Gasteltern sagten: „Guck, es geht schon ziemlich schnell, in Tecklenburg berühmt zu werden. Das kennst du aus Kopenhagen nicht, oder?“
Ich würde sagen, nach dem Praktikum fing mein normales Schulleben am Graf-Adolf an, alles um mich wurde etwas ruhiger. Ich fand Leute, mit denen ich mich gut verstehe. Ich hatte Glück, mit der Schule für einen Tag im März nach Hamburg zu fahren. Und dann kamen auch schon ziemlich schnell die Osterferien. Der Mai war da, bevor ich es überhaupt ahnen konnte. Mit dem Mai kam dann meine beste Freundin aus Dänemark für ein paar Tage zu Besuch.
Was für ein Gefühl, meine beste Freundin zum ersten Mal nach fast neun Monaten wiederzusehen! Wir freuten uns so sehr, hatten wir doch einige fantastische Tage in Tecklenburg und in Leeden, wo ich ja seit Januar wohne. „Schön“, sagte sie und guckte sich zum ersten Mal um: „Ein bisschen ländlich im Verhältnis zu Kopenhagen, aber schön, ich verstehe warum es dir auch hier so gut gefällt.“
An ihrem letzten Tag bei mir kam sie auch noch mit zum Graf-Adolf und sah, wo ich denn die ganze Zeit gewesen war, und sie musste mir schon Recht geben, ich habe hier sehr gute Freunde gefunden.
Bloß zwei Wochen nach der Heimreise von meiner Freundin fuhr ich mit der Schule nach Polen, um da am Projekt MICC (Model International Criminal Court) teilzunehmen. Über diese Fahrt bzw. dieses Projekt habe ich noch einen Bericht geschrieben, den „MICC 2016: representing Germany – Team Tecklenburg“ können Sie auch gerne hier lesen.
Jetzt aber bin ich zum Ende meines Austausches gekommen. In Deutschland habe ich unfassbar viele Leute kennengelernt, erst bei einem zweiwöchigen Camp in Mannheim mit 60 anderen Gastschülern, dann bei meinen zwei Gastfamilien und Schulen, als ich Praktikum Nummer 1 und 2 absolvierte, in Polen usw. usw. Einige dieser Leute, das weiß ich jetzt schon, sind Freunde fürs Leben. Vielen Freunden habe ich ein Wiedersehen versprochen, und sie mir. Ich bin von meiner Gastfamilie und deutschen Freunden nochmal nach Deutschland eingeladen worden, von anderen Gastschülern nach Japan, Mexiko, Brasilien und Norwegen. Mein erstes Wiedersehen wird aber in meiner Heimat, in Kopenhagen, stattfinden. Meine allererste deutsche Freundin kommt schon im Juli zu Besuch, und ich freue mich so sehr. Erstens, weil es jetzt schon Monate her ist, dass wir einander gesehen haben; und zweitens, weil ich jetzt weiß, dass es schon möglich ist, den Kontakt zu halten.
Johanne Balslev war von Januar bis Juni 2016 Gastschülerin am Graf-Adolf-Gymnasium Tecklenburg